Ursprung und Wesen der Naturgesetze

Günter Bechly


In Arbeit! (kritische Diskussion der Thesen von Victor Stenger und Max Tegmark ergänzen)

 

Die Entdeckung der Tatsache, dass die Naturerscheinungen mittels einfacher und verstehbarer, mathematischer Gesetze beschrieben, erklärt und vorhergesagt werden können, geht zurück auf einige großen Denker des christlichen Abendlandes wie Galileo Galilei, Johannes Kepler und Isaac Newton. Galileo sagte, dass das Buch der Natur in der Sprache der Mathematik geschrieben sei. Im 20. Jahrhundert wunderte sich der Quantenphysiker Eugene Wigner über "die enorme Nützlichkeit der Mathematik in den Naturwissenschaften" und laut Albert Einstein ist "das ewige Geheimnis der Welt ihre Verstehbarkeit". Somit stellt sich natürlich die Frage, warum dem so ist. Was sind Naturgesetze und woher kommen sie, und warum ist die Welt für uns verstehbar?

 

Hinsichtlich dieser Fragen gibt es im großen und ganzen drei verschiedene Ansichten:

  • Theisten sind der Auffassung, dass die Natur deshalb geordnet ist, weil Gott sie nach gesetzmäßigen Vorstellungen in seinem Geiste erschaffen habe und zwar mit derlei Eigenschaften und Kräften, dass die Natur in ihrem Verhalten diesen abstrakten göttlichen Gesetzen folgt. Gott ist hier quasi der Gesetzgeber der Naturgesetze.
  • Platonisten sind der Auffassung, dass Naturgesetze eine reale Existenz in einem immateriellen und zeitlosen Ideenreich haben, von dem sie irgendwie mit der physikalischen Natur derart wechselwirken, dass sie die Natur dazu zwingen diesen Gesetzen zu folgen.
  • Naturalisten sind meist der Ansicht, dass das einzige was existiere Elementarteilchen und deren regelmäßiges Verhalten sei. Diese Regelmäßigkeiten würden wir beobachten und in Form von mathematischen Gesetzen beschreiben und modellieren. Diese Naturgesetze hätten jedoch keine eigene Existenz und keine kausale Wirkung auf die Natur. Die Natur wäre demnach nicht geordnet weil sie mathematischen Gesetzen folgt, sondern die vom Menschen erfundenen Gesetze hätten ihren Ursprung in der Ordnung der Natur. Die mathematischen Abstraktionen wären von uns nur konstruiert worden, weil sie sich für die erfolgreiche Vorhersage von Naturerscheinungen als nützlich erwiesen haben.

 

Wir können nun untersuchen, welche dieser sehr unterschiedlichen Ansichten die beste Erklärung liefert. Hierzu können wir jeweils folgende Fragen stellen:

  • Wird der Ursprung der Naturgesetze erklärt?
  • Wird der Ursprung der Gesetzmäßigkeit der Natur erklärt, also warum die Natur mathematischen Gesetzen zu folgen scheint?
  • Wird erklärt, warum gerade diese Naturgesetze gelten und nicht andere?
  • Wird die Korrespondenz zwischen den abstrakten Gesetzen und der konkreten Natur erklärt, oder wie Stephen Hawking es formulierte "Was haucht den Gleichungen Feuer ein, damit ein konkretes Universum entsteht"?

 

Schauen wir uns zunächst den Platonismus an:

  • Wird der Ursprung der Naturgesetze erklärt?
    Ja, die Naturgesetze existieren als abstrakte Gegenstände aus logischer Notwendigkeit gemeinsam mit allen denkbaren Gesetzen, mathematischen Strukturen, Formen (Universalien) und Ideen.
  • Wird der Ursprung der Gesetzmäßigkeit der Natur erklärt?
    Nein, es bleibt völlig unerklärt, warum die Natur mathematischen Gesetzen folgt.
  • Wird erklärt, warum gerade diese Naturgesetze gelten und nicht andere?
    Nein, es bleibt unerklärt, warum die Natur von allen denkbaren Gesetzen ausgerechnet diesen Gesetzen folgt, die zudem auch noch elegant und für uns verstehbar sind.
  • Wird die Korrespondenz zwischen den abstrakten Gesetzen und der konkreten Natur erklärt?
    Nein, es gibt keinerlei Erklärung wie die mathematischen Gesetze, die wie alle abstrakte Gegenstände definitionsgemäß keinerlei kausale Wirkung haben, von dem platonischen Ideenreich auf das Reich der konkreten physikalische Realität einwirken können.

 

Beim Naturalismus sieht es nicht besser aus:

  • Wird der Ursprung der Naturgesetze erklärt?
    Ja, diese sind Konstrukte des menschlichen Verstandes. Konsequent weitergedacht ergeben sich jedoch Widersprüche durch das Universalienproblem.
  • Wird der Ursprung der Gesetzmäßigkeit der Natur erklärt?
    Nein, die Gesetzmäßigkeit der Natur wird unerklärt vorausgesetzt.
  • Wird erklärt, warum gerade diese Naturgesetze gelten und nicht andere?
    Nein, außer es wird das anthropische Prinzip in Verbindung mit der Annahme eines unendlichen Multiversums bemüht, in dem alle denkbaren Naturgesetze irgendwo realisiert sind. Das Problem ist hier jedoch wieder die einfache Eleganz und Verstehbarkeit der Naturgesetze in unserem Universum, im Vergleich zu der viel größeren Anzahl von Möglichkeiten für
  • Wird die Korrespondenz zwischen den abstrakten Gesetzen und der konkreten Natur erklärt?
    Nein, denn wenn die mathematischen Gesetze nur menschliche Erfindungen sind bleibt unerklärt warum die Natur eleganten mathematischen Gesetzen zu folgen scheint, die nur in unserem Verstand existieren. Woher "weiss" ein beliebiges Elektron am anderen Ende der Galaxis, dass es die exakt gleichen Eigenschaften zu haben hat und das exakt gleiche Verhalten an den Tag zu legen hat wie ein Elektron auf der Erde? Was sichert diese Regelmäßigkeit.

 

Und zu guter Letzt der Theismus:

  • Wird der Ursprung der Naturgesetze erklärt?
    Ja, die Naturgesetze sind ewige Ideen im Geist Gottes.
  • Wird der Ursprung der Gesetzmäßigkeit der Natur erklärt?
    Ja, die Natur wurde von Gott entsprechend seiner gesetzmäßigen Vorstellungen geschaffen.
  • Wird erklärt, warum gerade diese Naturgesetze gelten und nicht andere?
    Ja, die Auswahl genau dieser Naturgesetze war eine freie Willensentscheidung Gottes, der solche Gesetze wählte, die Leben für verkörperte Wesen mit freiem Willen in einer geordneten Welt ermöglichen, wo deren Willensentscheidungen vorhersehbare Konsequenzen haben. Gesetze, die nicht nur  in einfach, elegant und schön sind, sondern auch für uns verstehbar.
  • Wird die Korrespondenz zwischen den abstrakten Gesetzen und der konkreten Natur erklärt?
    Ja, die allgegenwärtige Allmacht Gottes, der alles was Ist im Dasein erhält, vermittelt zwischen den abstrakten Gesetzen in seinem Geist und der konkreten physikalischen Natur.

 

Die Entscheidung, welche dieser drei Alternativen die beste Erklärung ist, fällt nicht schwer. Wenn, der Naturalismus dennoch zu bevorzugen sein sollte, dann sicher nicht wegen seiner besseren Vereinbarkeit mit der Naturgesetzlichkeit unserer Welt. Es ist vielleicht kein historischer Zufall, dass die modernen Naturwissenschaften ihren Ursprung in einem Kulturkreis haben, der auf Grund einer bestimmten Religion davon ausging, dass die Welt  von einem rationalen Wesen erschaffen wurde, der sie nach erkennbaren und rational verstehbaren Gesetzen geordnet hat. Andere Kulturkreise glaubten hingegen an eine chaotische Natur, die dem willkürlichen Spiel anthropomorpher Götter und Geister ausgeliefert war, so dass nach Naturgesetzen überhaupt nicht gesucht wurde, während westliche Wissenschaftler ihre Aufgabe darin sahen in der Natur die geniale Planung Gottes zu entdecken und mit der Entdeckung von Naturgesetzen Gottes Gedanken auf die Spur zu kommen. Einem Konflikt zwischen Naturwissenschaft und Religion gab es hierbei nicht. Die Vorstellung eines Kampfes der Religion gegen die Wissenschaft ist die Erfindung einiger tendentiöser Autoren des späten 19. Jahrhunderts (z.B. John William Draper 1874 "History of the Conflict between Religion und Science"), die von modernen Wissenschaftshistorikern längst widerlegt und zu den Akten gelegt wurde.

Ein sehr empfehlenswertes Buch zu diesem Thema ist:

 

James Orr (2019): The Mind of God and the Works of Nature: Laws and Powers in Naturalism, Platonism, and Classical Theism. Studies in Philosophical Theology 65, Peeters Publ., viii+214 S.