Neo-Theismus und Natur-Teleologie

Günter Bechly


Neo-Theismus (Englisch: Neo-Theism oder Theistic Personalism) zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er bestimmte essentielle Elemente des klassischen Theismus, wie beispielsweise die Einfachheit und Unveränderlichkeit Gottes, entweder ablehnt oder zumindest abschwächt. Zudem werden die Eigenschaften Gottes wie Güte oder Macht nicht als analog zu der von Geschöpfen, sondern als diesen qualitativ gleich (nur quantitativ maximal ausgeprägt) angesehen. Gott wird im Gegensatz zum klassischen Theismus nicht als Sein an sich verstanden, sonderen im Anselmschen Sinne als maximal großes Wesen, also innerhalb der Kategorie von Wesenheiten als ein Seiendes neben anderen. Zudem betont der Neo-Theismus, dass Gott eine Person sei, ein körperloses Bewusstsein, so wie die menschliche Seele. Klassische Theisten kritisieren dieses neotheistische Gottesbild, da es zu sehr an heidnische Gottesvorstellung im Sinne von Gott als Übermenschen erinnere und somit für eine berechtigte atheistische Kritik (wie etwa der von Richard Dawkins) anfällig sei. Neo-Theismus wird von klassischen Theisten daher manchmal sogar als eine Form von Atheismus angesehen, da er nicht einen transzendenten Urgrund allen Seins als Gott verehre, sondern eher ein geschöpfähnliches Super-Wesen. Auf der anderen Seite kritisieren Neo-Theisten die Gottesvorstellung des klassischen Theismus oft als unbiblischen, unpersönlichen Gott der Philosophen und als unverständliches oder gar inkohärentes Konzept.

(Zur Abgrenzung von Klassischem Theismus und Neo-Theismus siehe diese englischsprachigen Artikel auf der Website des Philosophen Edward Feser: Classical theism roundup)

 

Die Spannbreite des Neo-Theismus reicht von bestimmten Religionsphilosophen im konservativen Protestantismus (z.B. Richard Swinburne, Alvin Plantinga und William Lane Craig) bis hin zum sogenannten Offenen Theismus und den panentheistischen Vorstellungen der Prozesstheologen (z.B. Charles Hartshorne und David Ray Griffin).

 

Zur rationalen Begründung für den Glauben an die Existenz Gottes werden im Neo-Theismus neben den üblichen klassischen Argumenten und "Gottes-Beweisen" bevorzugt das Kalam Kosmologische Argument, das Ontologische Argument und Design-Argumente angeführt.

 

Der Neo-Theismus sieht die Natur als von Gott geschaffen und seinen regelmäßigen Gesetzen folgend, verneint aber in der Regel eine immanente Teleologie in der Natur. Diese Naturgesetze beschreiben jedoch nur, was vorhersehbar geschieht wenn Gott nicht eingreift. Da diese Gesetze rein mechanisch operieren, sind für die Erklärung bestimmter Phänomene aus neotheistischer Sicht stets intelligente Eingriffe als Wirkursachen notwendig. Zur Erklärung von Teleologie in der Natur neigen Neo-Theisten daher eher als klassische Theisten zur Annahme von interventionistischen Erklärungen durch wundertätige göttliche Eingriffe in das Naturgeschehen. Dies mag einer der Gründe sein, warum bestimmte Ansätze zur Natur-Teleologie, wie z.B. die Theorie des Intelligenten Designs, von thomistischen Katholiken seltener vertreten werden. Dies scheint jedoch unberechtigt, das ein Schluss auf intelligente Verursachung nicht notwendigerweise mit der Erklärung durch übernatürliche Eingriffen in das Naturgeschehen einhergeht. Zudem schließt auch der klassische Theismus übernatürliche Eingriffe keineswegs aus, so dass die Frage, wann solche angenommen werden sollten, nur durch die empirischen Hinweise und deren beste Erklärung entschieden werden sollte. Auch ist immanente Teleologie, wie sie von manchen klassischen Theisten vertreten wird, keinewegs unbegrenzt und daher ist die Frage legitim, ob ein bestimmtes Phänomen noch durch immanente Teleologie erklärbar ist oder einer intelligenten Verursachung von außerhalb des Systems bedarf. Insgesamt gesehen sollte daher die Design-Argumentation und der Schluss auf intelligente Verursachung eigentlich kein trennendes Thema zwischen Neo-Theisten und klassischen Theisten sein.